Vor über 20 Jahren brachte die Syncronys Softcorp mit SoftRAM 95 eine Software auf den Markt, die angeblich den Arbeitsspeicher von PCs verdoppelte, ohne dass dazu Extra-Hardware nötig sei. In Wirklichkeit tat das Softwarepaket – nichts, das aber zu einem Preis von 170 D-Mark. Verkauft hat es sich damals trotzdem mehrere 100.000-mal. Eine unglaubliche Geschichte.
Nutzloses Software-Produkt
Der Hersteller von SoftRAM 95 versprach in seinen Werbeaussagen viel: „Verdoppeln Sie Ihren Speicher und vergrößern Sie Ihren Ihre Systemressourcen nahtlos mit SoftRAM 95“, oder: „SoftRAM 95 behebt sogar den kritischen Speicherengpass bei Windows 3.0 unterhalb 1 MB“. Diese Versprechungen stießen bei den Usern der damaligen Windows-Versionen auf offene Ohren. Denn es wurde schnell klar, dass Windows 95 sehr viel Speicher benötigte, um zügig zu laufen. Das Minimum waren damals vier Megabyte, ideal waren acht. Hier setzte Syncronys Softcorp mit seinen Marketingversprechen an: SoftRam 95 wurde als günstigere Alternative gegenüber dem Kauf von zusätzlichem Speicher positioniert (Vier Megabyte schlugen damals mit mehreren hundert D-Mark zu Buche): Die Software sei ideal für PCs, die sonst mangels Speicher Probleme mit Windows 95 hätten. Zusätzlich würde SoftRAM Dateien komprimieren, um den vorhandenen Speicher effektiver nutzbar zu machen. Wie sich später herausstellte, leistete SoftRAM 95 diese Werbeversprechen nicht mal ansatzweise – User, die die Software für 170 D-Mark kauften, erhielten eine „Placebo-Software“ (Computermagazin c’t, 11/1995).
Wer damals Opfer dieser Abzocke wurde, kann sich das Geld heute bestenfalls noch durch Zocken wiederholen. Die Spielautomaten von Gratorama oder die anderer Online-Glücksspielanbieter bieten dazu reichlich Gelegenheit im Netz.
Entlarvende Tests und Analysen
Wie c’t in seinen Analysen herausfand, ließ SoftRAM die Daten ohne jede Veränderung durch die Gerätetreiber verarbeiten. Im Klartext: Genau dort, wo die Software hätte eingreifen müssen, um wie versprochen Daten zu komprimieren, geschah nichts. Der Test eines englischsprachigen PC-Magazins kam ebenfalls zu dem Schluss, dass das Programm SoftRAM „frei von jedweder Funktion sei“ (PC Magazine, 01/1996).
C‘t hatte die Software in seine Einzelteile zerlegt, um genau nachsehen zu können. Dabei stellt sich heraus, dass SoftRAM lediglich Windows-Treiber ersetzt, die bei Platzmangel Daten aus dem Arbeitsspeicher auslagern und mit viel Zeitaufwand auf der Festplatte speichern. Dies tun sie, um wieder Platz im Arbeitsspeicher zu schaffen. Das SoftRAM-Versprechen, der PC würde durch das Ersetzen dieser Treiber schneller arbeiten, ließ sich eindeutig widerlegen. Das Programm komprimierte nichts und sorgte auch nicht für eine virtuelle Speichervergrößerung. Die c‘t-Prüfer kamen zu dem Schluss, dass nur die temporäre Auslagerungsdatei vergrößert wurde. Ein Vorgang, den jeder PC-Nutzer selbst vornehmen kann – ohne eine 170-D-Mark-Software zu kaufen.
Eine Auszeichnung erhielt SoftRAM trotz allem: Es wurde vom PCWorld-Magazin 2006 zum „drittschlechtesten Softwareprodukt aller Zeiten“ gekürt. Da möchte man von Platz eins und zwei gar nichts mehr wissen.
Bildquelle: Pixabay, code, 1839406_1280
Werbung
Kommentare